14.11.2014

Der freche Mario 2014

Stell dir vor, du bist Atheist, dein ungetaufter Sohn Mario stirbt und bekommt von den Friedhofsmitarbeitern ein Kreuz auf das Grab gesetzt, "weil man das in Bayern so macht".
Tradition? Sicher ist sicher? Nicht so schlimm?
Nur wenn es auch nicht schlimm ist, Hochwürden auf einem Langschiff zu verbrennen ...

Ich war gestern bei der Verleihung des Frechen Mario in München und ihr ahnt es vielleicht schon: der freche Mario soll an den ungetauften Mario, den Artikel 4.1 im Grundgesetz und noch an eine Menge andere Dinge erinnern. Gestiftet vom Bund für Geistesfreiheit, in diesem Jahr bezahlt vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten und unterstützt u.a. von der Giordano Bruno Stiftung. Der Preis zeichnet Kunstwerke (Filme, Bilder, Karikaturen, Objekte) aus, die nach § 166 Strafgesetzbuch als "Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen" gelten können. Ich zitier mal eben:

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Drei Jahre sind recht milde im Vergleich zu anderen Gebieten, in denen man Blasphemie gleich an die oberste, göttliche Instanz weitergibt, aber für den BfG untragbar. Für die FDP übrigens auch, wie der Münchner Ortsvorstand gestern erklärt hat. Und für die Piraten.

Und für ca. 33 % der bayerischen Bevölkerung und noch einige Prozente mehr in ganz Deutschland. Atheismus, Agnostizismus und was es da noch so alles an feinen Unterschieden gibt, ist auf dem Vormarsch, aber in der Politik ist das noch nicht angekommen. Das liegt zum einen an den alten Pfründen und Machtstrukturen der Eliten, die nicht so schnell wanken, zum anderen daran, dass man es als Atheist halt auch echt schwer hat. Schließlich glaubt man an nichts (und das auch noch auf verschiedene Weise) und dafür Werbung zu machen ist nicht so lustig wie für den Allmächtigen. Für die meisten ist es auch gar nicht nötig, dafür auf die Barrikaden zu gehen.

Aber Religionsgemeinschaften besitzen Sonderrechte in Deutschland. Sie werden staatlich gefördert, können ihr eigenes Arbeitsrecht durchsetzen und Ethikunterricht zu unmöglichen Zeiten wurde gestern auch angesprochen.

Damit wir uns nicht missverstehen: Ich bin gläubig. Das macht einiges einfacher. Meiner Meinung nach macht das auch ein paar Sachen besser. Aber jeder soll auf das hinweisen dürfen, was durch Religion schlechter wird - auch durch Blasphemie.

Hierzulande sind wir da noch lange nicht so weit. Der § 166 schlummert zwar friedlich vor sich hin, aber während man Religionskritiker in anderen Ländern (mund)tot macht, werden sie hier totgeschwiegen. Vor der Presse war gestern jedenfalls keiner da ...

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