19.11.2014

Film School Fest München: Karrotten und andere Verrückte

Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. Ich glaube so ziemlich das mieseste Verhältnis von Aufwand und Ergebnis hat ein Stop-Motion-Animationsfilmer. Kaum arbeitet man 4 Monate an einem Film (Vorbereitung und Post Production nicht mitgerechnet), schon hat man 9 Minuten zusammen (inklusive Titel und Nachspann).
Ich hab mir gestern 5 Kurzfilme beim Film School Fest München angeschaut und muss sagen: Hut ab vor so viel Masochismus Begeisterung. Denn natürlich hat man nicht nur als Animationsfilmer mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen.

"The Arrest" von Yair Agmon erzählt die Geschichte eines arabischen Soldaten, der mit seiner Einheit einen verdächtigen Juden aus dessen Elternhaus holen soll. Anfangs ist es ihm unangenehm in die Familienidylle einzudringen, noch dazu, weil der Vater behauptet, dass der gesuchte Sohn schon lange nicht mehr bei ihnen lebt, aber als sich das als Lüge herausstellt, wird er gewalttätig.
Aber halt, der arabische Soldat ist nur ein Schauspieler und es geht eigentlich um den Regisseur, der im Krieg traumatisiert wurde und das in seinen Filmen verarbeitet.
Ich habe erstmal nur verstanden, dass hier die Rollen Unterdrücker / Opfer bzw. Staatsgewalt / Täter vertauscht wurden aber mehr auch nicht. Im Interview mit dem Regisseur wurde klar, dass man den Film in Israel völlig anders sieht: bei einer Vorführung vor arabischem Publikum war er ein großer Lacherfolg, eine schöne Parodie. Vor jüdischem Publikum herrschte hingegen gespanntes Schweigen. Und den Regisseuren, die gern (Anti)kriegsfilme drehen, dürfte er überhaupt nicht gefallen haben.
Außerdem war es eine ziemliche Leistung die Schauspieler dafür zu finden und den Film innerhalb von 2 Wochen zu drehen.

Ja und dann war da noch "Mr. Carrot", der Horrorfilm über eine Karotte, der beim Pokerspiel zusammen mit zwei Freunden aus der Erde gezogen und in eine Gemüse-Fabrik gesteckt wird. Dort soll er zu Essen verarbeitet werden, aber er wehrt sich und am Ende muss er zwar ins Gras beißen, nimmt aber noch die Hand eines Arbeiters mit. Wie schon gesagt: 4 Monate mit Knetmasse arbeiten, Equipment für 800 Euro ausleihen und schon hat man 9 Minuten Film fertig ...


Nachtrag: Für Samstag hatte ich noch einen Platz für die "Award Ceremony" ergattert und kam in den Genuss einer entspannten aber trotzdem feierlichen Veranstaltung. Ich hatte völlig vergessen, auf wie vielfältige Art und Weise man die englische Sprache entstellen kann ... ^___^

Wer ohne Schuld ist werfe den ersten Stein und außerdem hat das nur zum Charme beigetragen. Wenn eine Preisverleihung damit beginnt, dass das Publikum Filmsongs singen muss / darf, kann danach eigentlich nichts mehr schief gehen.
Für einen Filmbranchen-Laien wie mich war es erstaunlich, wer wem für was alles einen Preis verleihen kann. Am einfachsten war vielleicht noch der Preis von Hofbräu - die Beer Trophy - zu verstehen. Gewonnen hat (und das freut den Volkskundler) eine alte Urban Legend, in der ein Professor anhand eines Maßkrugs demonstriert, dass für etwas Bier immer Platz ist (https://www.facebook.com/video.php?v=616899421747605).

Wer sonst noch gewonnen hat, ist hier zu sehen: http://www.filmschoolfest-munich.de/de/profil-iffh/filmschoolfest-2014/preise-2014.aspx

Und jetzt zu meinen "Honorable Mentions", also den Filmen, deren Programmbild und / oder -text mich angesprochen hat (vielen Dank an die Damen und Herren Grafiker und Texter), die zu sehen ich Gelegenheit hatte und die ich gut fand.

Atlantis Real Estate: Hat in der Kategorie Climate Clips gegen Scale verloren, aber es ist halt auch echt schwer gegen einen Cartoon anzustinken. Spontan hat mir Scale auch besser gefallen, aber im Nachhinein verblasst der visuelle Gag etwas während der herrliche Zynismus von Atlantis Real Estate noch nachreift.

Bei The rise and fall of Globosome hat es mich in den Fingern gejuckt nach diesem Intro den Controller in die Hand zu nehmen und das Spiel zu spielen. Nur ist es kein Trailer und es gibt kein Spiel. Och menno ...

Skyline erzählt die Geschichte eines alternden Motorradfahrers, der sich schweren Herzens dazu entschließt seine liebevoll gepflegte Maschine (eine Honda CB 360) zu verkaufen.
Ich weiß nicht genau, was ich an diesem Film mag. Wahrscheinlich das Potential, das noch darin steckt. Man erfährt über die Figuren kaum mehr als was für diesen Kurzfilm notwendig ist und dass am Ende keine Fragen offen bleiben, liegt nur daran, dass keine Fragen aufgeworfen werden. Aber als Zuschauer lauert man auf diese Fragen, auf Anspielungen oder sonstwas, das über eine einfache Abbildung des Lebens hinausgeht. Aber all das kann man sich ja selber ausdenken ...

The Dandelion: Die fabelhafte Welt der Amelie trifft auf Grüne Tomaten und Delicatessen bzw. Dänische Delikatessen. Plus Igel. Plus Occupy-Wall-Street-Attitüde. Da kann man eigentlich nichts falsch machen, oder?

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